… und was wir tun können
Mit Vereinfachung, Provokation und, ja, mit Humor hat Heidi Reichinnek keine Probleme. Auch deshalb sind ihre Social Media-Präsenzen so erfolgreich. In den zahlreichen auf der re:publica platzierten Hinweisen auf die dunkle Problematik der digitalen Infrastrukturhoheit in den Händen weniger Tech-Milliardäre schimmerte Reichinneks Erfolgsstory gleich doppelt hell. Und die Frau legte auf der Digitalmesse einen gewohnt rasanten, schlagfertigen und sympathischen Auftritt hin. Überzeugender noch als ihre Verweise auf die generationsübergreifende Zusammenarbeit als Faktor für den Erfolg der Linken war ihr radikaler Verzicht auf Dogmatismus. Menschen mit Sympathie für die Linke kämen wiederholt auf sie zu, weil sie die Partei aufgrund ihrer Position gegen Waffenlieferungen für die Ukraine nicht wählen können. „Dafür gibt es doch die Grünen, dann wählt doch die“, würde sie diesen Menschen nicht unfröhlich entgegnen. Nicht alle müssten die Linke wählen, Hauptsache alle blieben im demokratischen Spektrum und im Dialog. Dem schloss sich auch Keynote-Speakerin Maja Göpel an.
Maja Göpel ist auf das Thema „Generation XYZ“ irgendwie so gar nicht eingegangen. Es tauge ja auch nicht, so Sprecher Dietrich Diederichsen auf einer anderen Stage, um Geschichte zu erklären und sei schlicht das, was Göpel auf ihr Auftaktchart schrieb: reaktionär.
Wie Jens Balzer mit seinem 2024 publizierten, tollen Buch „After Woke“ widmet sich auch Göpel der Rehabilitierung der Wokeness. In ihrem Talk „Reaktionär. Generationen, Zeitgeister und Zukunft“ lotete sie aus, wie wir im Taumel zwischen digitalem Mittelalter und illusionärem Fortschritt die Demokratie retten können. „Warum folgen wir bereitwillig destruktiven Kräften – und was können Hoffnung, Resilienz und Aufmerksamkeinsökonomie dagegen ausrichten?“, lautet Göpels Frage. Das Projekt der Woken, nämlich aufmerksam hinzuschauen und zu analysieren, was passiert, sei nötiger und wichtiger denn je. Und wer sich an der Begrifflichkeit störe, könne für „woke“ auch einfach den guten alten „Anstand“ einsetzen. Denn darum ginge es am Ende: Anstand gegenüber der Umwelt, der Gemeinschaft und gegenüber nachfolgenden Generationen. Und um das Projekt der Teilhabe und der produktiven Vielstimmigkeit. Schmallippig auf separierenden Details herumzureiten, sei zwar eine Paradedisziplin im linken Milieu, würde am Ende aber nur reaktionäre Zigarrenraucher erfreuen, so Göpel – hier zugegeben etwas grob zusammengefasst. Wir brauchen also mehr Großmut im eigenen Milieu und eine bessere Aufmerksamkeitsökonomie, denn es helfe niemandem, den trumpschenTrümmermeldungen hinterherzuhecheln. Stattdessen solle man seine Zeit und Aufmerksamkeit lieber jenen Menschen schenken, die das Projekt Demokratie voranbringen – oder einfach unseren Weg kreuzen. Siehst du das nicht genauso?
Die Kinorbital Habitats haben Michelle Brand, Toby Auberg, Tinka Vey und Henry Baumann geschaffen. Sie luden die Besucher*innen der re:publica25 dazu ein, kleine bunte Welten in zirkulierenden Lichtspielen zu entdecken, ganz analog. Die schimmernden Habitate zieren auch den Teaser dieser Rezension und so enden wir, wie wir begonnen haben.