Seit gestern ist sie schon wieder vorbei, die #OMR25 aka das Festival für das digitale Universum. Als Hamburgerin konnte ich natürlich nicht daran vorbeigucken, nun ja, doch, da ich die letzten Tage auf einem Kongress in Frankfurt verbrachte. Deshalb gibt es an dieser Stelle nicht wie sonst eine feine, kleine Rekapitulation des Events, sondern meine Top 3-Speaker für die #OMR26, die dem Ganzen mal einen ganz neuen Twist geben, dort allerdings hoffentlich niemals auftreten werden. Wenn allerdings doch, wäre ich die erste, die sich dort mal wieder blicken lassen würde.
1 Heidi Reichinnek
Pünktlich zum 8. Mai 2025, dem Tag der Befreiung, meldet die Linke einen historischen Mitgliederzuwachs: Die Partei hat erstmals über 112.000 Mitglieder und ist so groß, jung, weiblich und westlich geprägt wie nie zuvor. Woher das wohl kommt? Zu verdanken hat diesen Begeisterungsschub die Partei, die nach der Ausgründung des BSW wohl so ziemlich alle abgeschrieben haben, vor allem einer Frau und ihrem Social Media-Talent: Heidi Reichinnek. Sie ist, ja genau, jung und weiblich, ihr Instagram-Account hat 650.000 Follower und sie führt das Polit-Ranking im April 2025 erstmals als beliebteste Politikerin Deutschlands an. Reichinnek ist der Shooting-Star der vergangenen Bundestagswahl, über ihre Medienkompetenz und Social Media-Strategie wurde bereits viel geschrieben. Zu gern würde ich auf der OMR direkt von ihr, die den Kapitalismus abschaffen möchte, hören, wie sie mit Marketing umgeht und ob es sie nicht manchmal auch nervt, das Markengesicht – vergleichbar übrigens mit Philipp Westermeier, der als Person für die OMR steht – einer Partei zu sein, wo tolle Inhalte doch eigentlich reichen sollten.
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Mit einem Statement wie „Eine Digitalsteuer sollte nicht am Ende der Maßnahmen stehen, sondern gleich am Anfang“, mit dem sie auf die Frage nach einer Gegenstrategie auf Trumps Zollpolitik reagiert, greift sie zudem politisch hochrelevante Themen für die OMR auf, denn hier versammeln sich schließlich Leute, die in der Digitalwirtschaft ihre Croissants verdienen.
2 Banksy
Er ist der Beste, der Schnellste, der Schlagkräftigste. Kürzlich konnte ich mir einige seiner Werke in seiner Heimatstadt Bristol zwischen morbiden Hauswänden, skurrilen Thrift Stores und bunten Bristolians im Original anschauen und da haben sie mich gleich doppelt umgehauen. In Sachen Identität und Sichtbarkeit fährt er, wie viele große Künstler – Patrick Süskind, die Guerilla Girls oder Daft Punk – die Fantomas-Taktik, besser noch: Seine Identität ist und bleibt eines der letzten Mysterien im, hihi, digitalen Universum, dazwischen und außerhalb. Er setzt blitzschnell seine Kommentare zur aktuellen Weltlage und zur Befindlichkeit der Menschheit ab, nie platt aber immer exakt auf den Punkt. Unvergessen sein in der Pandemie einem Krankenhaus gestiftetes Bild eines Jungen, der selbstvergessen mit einer Superman-Krankenschwesterpuppe spielt.
Es schafft es immer wieder , mit spektakulären Aktionen, die den Keim des Viral- und Medienhits in sich tragen, für Reichweite und Schlagzeilen zu sorgen. Bestes Beispiel: Sein sich selbst live schredderndes Bild auf einer Sotheby’s Auktion. Nur wenige Monate später stellte Banksy dann unter Billo-Malern, und sorgsam selbst hinter einer Zeitung verborgen, auf dem Markusplatz in Venedig das doppeldeutige Ölgemälde „Venice in Oil“ aus. Er, der noch nie auf die Biennale eingeladen wurde, setze damit einen süffisant-kritischen Kommentar auf die durchkommerzialisierte Kunstwelt ab: Wer entscheidet da eigentlich, was große Kunst ist? Das „Girl with a Ballon“-Bild hatte vor seiner Zerschredderung übrigens einen Preis von 1,04 Millionen Pfund erzielt – als zerschredderte Variante kam es dann später für 16 Millionen Pfund, ebenfalls bei bei Sotheby’s, unter den Hammer. Das alles ist große künstlerische Strategie aber auch großes strategisches Marketing. Banksy ist auch deshalb einer der bekanntesten Künstler der Welt, seinem Instagram-Account folgen über 13 Millionen Menschen. Zur Erinnerung: Er ist ein unsichtbarer Streetartist, der viele seiner Werke spendet oder sie gleich in Krisen- oder Kriegsgebieten wie der Ukraine platziert. Dass seine Kunst in den unsäglichen Banksy-Tourneeausstellungen, die natürlich nichts mit dem Künstler selbst zutun haben, trotzdem kommerziell ausgeschlachtet werden? Geschenkt. Davon lässt sich ein Großer nicht aufhalten. Und bei der OMR? Im letzten Jahr bestand die große OMR-Künstlerenthüllung in einem Bild von Ski Aggu ohne seine Skimaske vor dem OMR-Partnerhotel Vier Jahreszeiten. Was ist das im Vergleich zu Banksy, der sich dort zeigen würde?
Es gibt übrigens einen exorbitanten Banksy-Film!
3 Anissa Loucif
„Warum lässt dein Vater dich als Comedienne auftreten? Tut er nicht. Er kann kein deutsch und denkt, ich predige.“ Anissa Loucif ist muslimische StandUp-Comedienne, tritt mit Kopftuch und aktuell auch noch hochschwanger auf. Außerdem ist sie Assistenzärztin für Anästhesiologie in der Charité. Sie lebt in Berlin, ist halb Algerierin, halb Deutsche. „Mach nicht so auf teuer“ heißt ihr Programm, mit dem sie ab Oktober 2025 durch Deutschland tourt. Die Frau ist tough und so selbstbewusst wie selbstironisch. Auf der Bühne gibt sie die Frau, die die meisten Menschen auf deutschen Straßen und in deutschen U-Bahnen in ihr sehen: Die muslimische Putze, die von ihren männlichen Verwandten an der sehr kurzen Sicherheitsleine gehalten wird. Sie schreddert dabei genüsslich die moralische Verschleierungstaktik ihrer eigenen Community und von uns Deutschen.
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Es wäre so cool zu hören, was eine Frau, die an so vielen Schnittstellen unterwegs ist, zum Thema KI-Bias und Marketing-Stereotypen zu sagen hat. Diese Narkoseärztin wäre die beste Waffe, um die OMR-Audience aufzuwecken und rauszureißen aus der zunehmenden Verballermanisierung des Festivals für das digitale Universum.