Die perfekt ausbalancierte Kombi aus Content und Event ist das neue Ding
Als Andy den Markenkern des Magazins „Runway“ nicht begreift, tippt ihr Nigel mit dem Kuli auf die Stirn: „Wach auf, Größe 36!“ Das Modemagazin, bei dem sie in „Der Teufel trägt Prada“ lustlos assistiert, sei, so Nigel, die Geburtsstätte wahrer Künstler und ein Schwert der Hoffnung für Underdogs aus der Provinz, die unter der Bettdecke heimlich in der Glam-Postille schmökern und von einer Karriere als Modezar träumen. Das sitzt. Die Zweiflerin ist an Bord und zumindest temporär voll eingeschworen auf das „Runway“-Versprechen. Nun hat nicht jedes Unternehmen die Möglichkeit, seine Kunden am Kragen zu packen und die Markenstory in Einzelbetankung in die Köpfe zu kippen. Der TKP wäre indiskutabel. Die individualisierte Ansprache des Kunden ist trotzdem schwer angesagt – und durch die neuen technischen Möglichkeiten zum Greifen nah. Was sich gerade digital Bahn bricht, hat es im echten Leben allerdings schon immer gegeben: auf Markenevents. Zu Modenschauen wird persönlich eingeladen, ebenso zum Launch neuer Limousinen. Seit über 20 Jahren schickt Coke seine Weihnachtstrucks durch die Lande, um den Kunden erleben zu lassen, dass das Trinken brauner Brause viel mehr ist als das Trinken brauner Brause. Es beschert Freude.
Wertvoll ist, was verbindet

Kluge Marketeers planen solche Events heute nach den Gesetzen des Storytelling: Sie haben eine klare Dramaturgie, spannende Akteure und das Potenzial, festgehalten und weitererzählt zu werden – die Sozialen Netzwerke stellen die perfekte Infrastruktur bereit. Bei Snapchat veröffentlicht man kein Post sondern eine Story und die punktet auf der Basis des NOwnership. Gezeigt wird, was man macht, nicht, was man hat – es sei den, es handelt sich um eine Riesenmenge Spaß. Josh Dykstra vom Magazin Fast Company hat es auf den Punkt gebracht: „Ein Produkt oder eine Dienstleistung ist heute wertvoll, weil es oder sie Menschen mit etwas oder jemandem verbindet. Es oder sie gewinnt an Bedeutung, weil wir damit vorübergehend etwas tun, jemandem davon erzählen oder mit anderen darüber reden können.“
Wenn mir also eine Marke ein Erlebnis beschert, das ich mit anderen teilen will, gewinnt sie für mich an Bedeutung. Es ist nicht mehr der Produzent, der sagt: „Schaut her, wie geil das ist.“ Es sind die Kunden selbst, die diese Message verbreiten, viel nachhaltiger und glaubwürdiger, als jedes Unternehmen es könnte. Wer auf diese Marketingstrategie setzt, hat es nicht mehr nötig, mit Native Advertising oder Reichweiten-Porno die Kunden zu überrumpeln und sich ihre Aufmerksamkeit zu erschleichen. Was ohnehin nur kurzfristige Effekte nach sich zieht. Wenn ein Kunde einmal gecheckt hat, dass hinter einer redaktionell getarnten Story eine Marke steckt, fühlt er sich in der Regel veräppelt. Wer online mit kluger Verschlagwortung in einem Text landet, der tatsächlich hält, was er verspricht und entsprechend weit weg ist von Branding und Verkaufsabsichten, ist sehr schwer in die profane Shoparchitektur zu überführen. Die Markenstrategen von Red Bull kämen niemals auf die Idee, Look and Feel ihres Contents dem eines Mediums anzupassen, damit der Kunde nicht merkt, dass es um Marketing geht. Ganz im Gegenteil: Jedes Bild, das Red Bull – in der Regel gegen Honorar – Redaktionen zur Verfügung stellt, ist so bearbeitet, dass es die dramatische Licht-Schatten-Kontrastierung zeigt, die alle Protagonisten unverkennbar im Kosmos des Roten Bullen verorten.
Jedes Partikel der Kommunikation ist klar gebrandet und geht publizistisch in Serie. Wer so agiert, sieht nicht mehr den Content als alleiniges Kernstück der Marketingstrategie, mindestens ebenso wichtig ist die Intensität, mit der es gelingt, ihn erlebbar und damit weitererzählbar zu machen. Erlebnisse aus erster Hand erfahren dabei in einer Welt, in dem das Gros der Informationen digital vermittelt wird, eine neue Renaissance. Was nicht heißt, das Brandexperience nicht auch medial zu vermitteln ist. Advocard hat einst mit dem Streitatlas die hauseigene Kompetenz, das Wissen um Streitpotenziale und -schlichtung, erfolgreich zum Gesprächsstoff gemacht: Die illustrativ aufbereite Studie setzte alle ins Bild, in welchem Bundesland die streitbarsten Deutschen leben und landete promt auf dem Titel der Bild – selbstverständlich unter Nennung des Absenders. Hornbach hat es geschafft, mit der Event-Reihe rund um einen eingeschmolzenen Panzer, der zu einer Edition von Hammern verarbeitet wurde, seine Facebook-Followerschaft in kürzester Zeit zu verzehnfachen. Und hatte es niemals nötig, das Engagement der Marke zu kaschieren: Das Produkt wurde an keiner Stelle Panzer-Hammer genannt, es ging stets um den Hornbach-Hammer. Hart aber ehrlich – Convent Marketing par excellence.
Events, die digital in Serie gehen

Dabei muss die Aktion nicht immer laut und schrill sein. Wenn ein Unternehmen wie OTTO sein nachhaltiges Engagement zum Thema machen möchte, ist es klug, dabei auf eine Strategie zu setzen, die höchste Anerkennung in der Zielgruppe genießt: den Dialog auf Augenhöhe. So lud das Unternehmen im Herbst 2017 80 Influencer zu einem Kongress nach Hamburg, auf dem OTTOs Corporate Responsibility-Stab sein Eco-Engagement zur Diskussion stellte. Vom Mikroabenteurer über den Mülltaucher bis zur Veganerin kamen Protagonisten diverser Spielarten des nachhaltigen Lebens zu Wort, um das Unternehmen zu fordern und voranzutreiben. Die Vorträge hatten die Qualität von TED-Talks, jenen maximal 18-minütigen Life-Performances, die „Technology, Entertainment, Design“ (TED) kombinieren und die in digitaler Fassung weltweit milliardenfach aufgerufen werden. Qualität erntet Aufmerksamkeit: Auch #remind, der Hashtag des OTTO-Kongresses, trendete am Veranstaltungstag bei Twitter auf Platz 1 und zahllose Blogger griffen das Stichwort auf, um von ihren persönlichen Erfahrungen im nachhaltigen Alltag zu berichten. Das Event ging digital in Serie.

Mit der Organisation des Kongresses betraute OTTO Companions, als Content Marketing-Agentur auch für die redaktionelle Steuerung diverser Blogs des Unternehmens verantwortlich. Weil die Verknüpfung von Event und digitaler Contentverlängerung optimal gelang, managed die Agentur auch die Einführung einer neuen Plus Size-Kollektion, die in Kooperation mit Guido Maria Kretschmer entsteht und im Oktober 2018 präsentiert wird. Um aus dem Launch ein Erlebnis mit seriellem Erzähl-Potenzial zu machen, ist es nur folgerichtig, auf eine Agentur zu setzen, die sich mit Storytelling und Influencer Marketing auskennt. Dennoch ist es neu, große Event-Etats an Content Marketing-Spezialisten zu vergeben. Der Vorteil: Companions versteht es in Gegensatz zu klassischen Event-Agenturen, Life-Erlebnisse inhaltlich so substanziell aufzustellen, dass sie genug Stoff für spannende Roll-Outs in Podcasts, Videos, Texten und Bildern hergeben. Um diese spezifische Qualität von Erlebnissen zu gewährleisten, braucht es erfahrene Content-Regisseure.
Dabei beziehen Geschichten, die das Zeug haben, zu kollektiven Ergebnissen zu werden, ihren Stoff immer aus dem echten Leben. Der Schauspieler Sabin Tambrea erzählte kürzlich in einem Radio-Interview, warum der der Stevie-Wonder-Song „I just call to say I love you“ so eine große Bedeutung für ihn hat. Die Familie des Schauspielers stammt aus Rumänien. Sie litt unter dem Ceaușescu-Regime und Tambreas Vater, ein angesehener Geiger, beschloss, sich auf einer Auslandstournee abzusetzen, als Sabin Tambrea noch ein Kind war. Die in Rumänien verbliebene Familie wurde daraufhin streng überwacht, das Telefon abgehört, um herauszufinden, ob Mutter und Kinder in die Flucht des Vaters eingeweiht waren. Nachdem sie zwei Wochen ohne Lebenszeichen des Vaters auskommen mussten, klingelte eines nachts das Telefon. Aus der Muschel tönte Stevie Wonders Song. Die Familie wusste Bescheid, wer am anderen Ende der Leitung den Hörer an den Plattenspieler hielt, beweisen konnte es niemand. Derartige Geschichten schaffen es, unsere eigenen Stories, die wir mit dem Wonder-Hit verbinden, für immer zu überschreiben – weil sie so wahr und intensiv sind. Eine Kraft, die nur echtes Erleben hat.
Dieser Text ist parallel in der aktuellen Printausgabe des CP Monitor erschienen.