Big Data macht uns digital transparent. Trotzdem kann mein Kühlschrank immer noch nicht die passenden Lebensmittel für mich ordern. Ganz schön enttäuschend, oder?
Jeanette Hofmann: Jede Technologie poppt zunächst als Szenario auf, um griffiger zu sein. In den 70ern hatten wir das Atomkraftwerk im eigenen Garten oder später das papierlose Büro. Oft werden solche Zukunftsbilder nicht Realität, weil sie nicht von den Menschen selbst entwickelt werden, sondern von den Marketingabteilungen, die solche Technologien verkaufen.
Der Traum vom selbstfahrenden Auto scheint aber wahr zu werden …
Hofmann: Der Kühlschrank, der sich selbst befüllt, ist schwerer zu realisieren, weil wir nicht standardisiert einkaufen. Und selbst wenn ich heute behaupte, eine Sache nicht zu mögen, esse ich sie am nächsten Tag vielleicht trotzdem. Autofahren ist stark regelbezogen und lässt sich daher automatisieren.
Sind wir also gar nicht so berechenbar, wie Datenanalysten meinen?
Hofmann: Datenanalysten gehen nicht so sehr von Individuen aus, sondern von Stereotypen. Sie arbeiten mit Wahrscheinlichkeiten, nicht mit unseren Besonderheiten. Einerseits nehmen Algorithmen uns Arbeit ab, andererseits schaffen sie neue Probleme. Beim Scoring von Banken entstehen beispielsweise große Diskriminierungspotenziale.
Das heißt konkret?
Hofmann: Wenn jemandem ein Kredit verweigert wird, nur weil er in einer Straße wohnt, in der allgemein viele nicht kreditwürdige Menschen wohnen. Hier werden Indikatoren gewählt, die zu grob und deshalb in ihrer Wirkung diskriminierend sind.
Welche Wahl habe ich, wenn ich da nicht mitspielen möchte?
Hofmann: Die Digitalisierung hat einen infrastrukturellen Charakter bekommen. Wenn man individuell ausscheren möchte und soziale Netzwerke nicht nutzt, ist der Preis sehr hoch, weil man sich damit sozial ausschliesst. Das Dilemma, dass wir unsere Daten als Währung einsetzen, können wir schwer individuell lösen. Uns ist es zwar unangenehm, dass wir so viel über uns persönlich preisgeben, doch je öfter wir es tun, desto weniger nehmen wir es bewusst wahr. Dieser Gewöhnungsprozess wird oft irreführend als ein Desinteresse an Privatsphäre interpretiert.
Wo ist denn dieses Interesse noch spürbar?
Hofmann: Jugendliche wollen auf Facebook nicht mit ihren Eltern befreundet sein, sie kleben die Kameras ihrer Laptops zu und unterteilen ihre WhatsApp-Kontakte in einzelne Gruppen. Wir gewöhnen uns nur daran, dass wir unsere Privatsphäre aufgeben müssen, um bestimmte Dienste zu nutzen. Gelöst werden kann dieses Dilemma nur durch kollektive Regelungen.