Mich hat die No Sports-Titelstory über Boris Becker dazu gebracht. Tim Jürgens ist ein sehr guter Beobachter und ich habe viel gelernt über Becker, alles Dinge, die nicht in mein Bild von ihm passen. Wer weiß schon, dass der Tennis-Berserker seiner Passion zwei künstliche Hüftgelenke verdankt? Und dass er heute mit seiner Familie tatsächlich in Wimbledon wohnt, was Jürgens zauberhaft beschreibt:
„Wie ein Kind, das sich in sein Puppenhaus imaginiert, ist die Metapher vom Wohnzimmer für ihn Realität geworden.“
Auch meine Tocher Fanny hatte No Sports in der Hand. Sie liest gern Headlines laut und deutlich vor: „F-r-a-u-e-n b-r-a-u-c-h-e-n m-e-h-r S-t-r-u-k-t-u-r, d-e-u-t-l-i-c-h-e-r-e A-n-s-a-g-e-n, s-o-n-s-t …“ Jeder klischeegeschulte Mensch weiß, wie es jetzt weitergeht: „… g-i-b-t e-s Z-i-c-k-e-n-k-r-i-e-g!“
Schon klar.
Wenn denn mal Frauen zum Thema in No Sports gemacht werden, in diesem Fall die Hockeyspielerinnen Maartje Paumen und Julia Müller, wird die Story mit dem abgehangensten Zitat eröffnet, das sich aus der Ursuppe der Hanni-und-Nanni-Logik fischen lässt, mit der wir in Hingsen-Zeiten gequält wurden. Leistungssport ist, wie Jürgens an anderer Stelle richtig diagnostiziert, eben kein Examenstutorium. Da haben Jürgen-Drews-Weisheiten eine sehr hohe Halbwertszeit. Kein Grund dafür, sie als offensichtlich wichtigste Essenz aus einem 350-Zeilen-Interview zu filtern. Nun gut, kommt eben immer auf die Beschaffenheit des Filters an.
Wie irritierend die nostalgische Betrachtung der Welt ist, die von verblassten Bezugsgrößen nicht lassen kann, bringt die Weitspringerin Alexandra Wester auf S. 18 prima auf den Punkt. In einem Entweder/Oder-Interview fragt No Sports sie:
Muhammad Ali oder Heike Drechsler?
Alexandra Wester: Deren Kinder!!!