Nur nicht das A-Wort
Beim ersten Durchklicken des 243 Seiten umfassenden PDFs mit dem Titel „Mein Leitfaden zur Rückkehr“ schleicht sich das Gefühl ein, dass hier nichts dem Zufall überlassen wurde, um möglichst reibungslose Abschiebeprozesse zu ermöglichen. Es gibt Varianten des Leitfadens für Kinder, Jugendliche, für Eltern und Vormünder und für unbegleitete Minderjährige. Teil des PDFs ist auch ein „Beschäftigungsbuch“ für 4–11-Jährige, das gleich in doppelter Fassung vorliegt. In keiner dieser Varianten findet sich das Wort „Abschiebung“. Der Begriff mag ja nicht schön sein, aber er ist ehrlich, und er benennt, worum es hier geht. Wer ihn weglässt und stattdessen von „Rückkehr“ oder vom „Umzug in ein anderes Land“ spricht, erweckt den Eindruck, statt aufzuklären eher schönreden zu wollen.
Lust auf Veränderung?

Deko-Deckblatt zum Einstieg in „Mein Leitfaden zur Rückkehr“
Auch der Einstieg ist irritierend. Das Deko-Blatt auf Seite 2 der Publikation zeigt himmelblau eingefärbt lauter Kinder und Eltern, die durch die Fenster eines Flugzeugs blicken, als würden sie in den Urlaub fliegen. Ihre Mienen sind wahlweise erwartungsvoll oder neutral, die meisten lächeln. Klar, den Flug kriegen die Insassen geschenkt, das sollte doch Grund zur Freude sein. Immer wieder finden sich in der Broschüre abgezirkelte Felder, in denen die Kinder ihre Gefühle und Fragen eintragen können. Der Zusatz „Alle diese Gefühle sind normal“ beendet einen Absatz, in dem normale Gefühle beschrieben werden: Trauer und Unsicherheit angesichts der Veränderung aber auch die Freude auf das Wiedersehen mit Verwandten im Heimatland. Was, wenn das Land, aus dem die Kinder abgeschoben werden, von ihnen als Heimat empfunden wird? Was ist mit Angst und Panik? Wahrscheinlich nicht normal. Den Eltern wird im Leitfaden empfohlen, Gefühle schon zu zeigen aber auch nicht zu sehr. Ganz wichtig: „Versuchen Sie, positive Aspekte an der Rückkehr zu finden, wie beispielsweise das Wiedersehen mit Freunden und Familie.“ Und: „Wenn es beispielsweise in dem Gebiet, in das Sie ziehen, viel Kriminalität gibt, sprechen Sie darüber, was Ihre Familie tun wird, um sich zu schützen.“ Und: „Probleme können zudem auch über einen längeren Zeitraum hinweg bestehen. In diesem Fall sollten Sie in Erwägung ziehen, einen Fachmann um Hilfe zu bitten, wie etwa einen Kinderpsychologen.“ Das sind Ratschläge für Kinder und Eltern, deren großer Nachteil es ist, Staatsbürgerschaften von Staaten zu besitzen, die im Privilegierten-Ranking der Weltgemeinschaft weit unten rangieren. Kinderpsychologen gehören da nicht selbstverständlich zum Basisprogramm des liberalen Erziehungsbaukastens.