LR pixel 5 x Galloway to go - Business of Content

5 x
Galloway to go

Scott Galloway, Boomer-Jahrgang 1964, war auch dieses Jahr mit seinen Vorhersagen auf dem OMR-Festival im Mai unterwegs. Hellsichtig sind die Vorträge des Digitalexperten und Marketing-Professors der NYU Stern School of Business stets allemal und er lieferte auch diesmal wieder ab. Im Vergleich zum Vorjahr, in dem das TikTok-Verbot (Galloway: „Mehr als überfällig“), der angeblich erreichte Gipfel des KI-Hypes („Data is the new oil? No, it’s naaaaaat.“) und der Mega-Trend der GLP-1-Medikamente im Zentrum standen, gab es diesmal fünf vergleichsweise pragmatische Tipps auf die Hand. Die waren, nichts gegen den Stargast der diesjährigen OMR, allemal substanzieller als der Output von Hollywood-Hero Ryan Reynolds, der im wesentlichen in der Aussage gipfelte, dass Social Media nicht der Nabel der Welt sei und die Gefahr berge, zu isolieren. Hier kurz und knapp die fünf Galloways to go:

No.1 AI, AI, AI 

Wer Recruiter und Personalabteilungen via LinkedIn auf sich aufmerksam machen möchte, solle doch bitte dreimal in irgendeinem irgendwie sinnvollen Zusammenhang das Akronym AI in seinem Profil droppen. Die Bots hätten es dann leichter, den potenziellen Neubewerber zu finden und ihr oder ihm neue Jobangebote zuzuspielen. Ein schlichter Rat, der gut zu den Gallowayschen Vorhersagen von 2024 passt: „AI wird dir nicht deinen Job nehmen, jemand der AI versteht, wird ihn dir nehmen.“, diagnostizierte Galloway von 365 Tagen. „Just learn AI.“, gab er den Zuhörer*innen als Rezept für ihr Job-Überleben lapidar mit auf den Weg. Ein Mantra, das auch immer wieder in des Professors Podcast „The G Pod“ zu vernehmen ist.

No.2 Meta-Megalomania

Megalomania bedeutet streng übersetzt „Größenwahn“. Dieser wird Meta-CEO Mark Zuckerberg gern unterstellt, wenn er neue Pläne und Erfolgslevel bekanntgibt. Für Galloway kann das „Wahn“ im Begriff gestrichen werden, denn Größe bedeute im digitalen Universum Vorsprung. Meta ist für Galloway – wenig überraschend – das KI-Unternehmen 2025 und zwar, weil Meta durch seine Plattform-Agglomeration – Facebook, Instagram, WhatsApp – schier uneinholbar viele Daten gesammelt habe und immer weiter sammle. „Data is the new oil? No, it’s naaaaaat.“, greinte Scott Galloway noch im letzten Jahr auf der OMR-Stage. Nun sind Daten wohl doch der Treibstoff, mit dem der Wettbewerb sicher abgehängt werden kann. Ach so: OpenAI sei dagegen tatsächlich überbewertet, befindet Galloway. Das Geschäftsmodell kranke noch, mit den Abo-Einnahmen lassen sich derzeit nicht einmal die Betriebskosten decken.

Scott Galloway hat einen Bachelor in Wirtschaftswissenschaften und folgt immer auch der Spur des Geldes, was seine Analysen der Medien- und Markenwelt besonders vielschichtig macht. Sein Youtube-Kanal „The Prof G Show“ ist Pflichtprogramm für Menschen, die aktuelle Tech-Impulse und Interviews mit Macher*innen aus der Digital-Branche suchen. Seine stets polarisierenden Prognosen verbreitet er außerdem im Newsletter „No Mercy / No Malice“, in mehreren New York Times-Bestsellern oder teilt sie mit den 627.000 Abonnent*innen seines LinkedIn-Accounts. Galloway ist nicht nur Theoretiker, sondern auch Praktiker: Er hat neun Unternehmen gegründet. Als größter Erfolg wird medial immer gern der Verkauf seiner Digital-Intelligence-Company L2 gewertet, die 2017 für rund 160 Millionen US-Dollar an Gartner ging. Scott Galloway war außerdem im Vorstand der New York Times Company und Urban Outfitters.

No. 3 Die Tech-Umfaller

Scott Galloway ist auch deshalb gern gesehener Gast auf den Tech-Podien dieser Welt, weil er den Mumm zu klaren Aussagen und Positionen hat. Herumeiern? Können andere besser. Er scheut sich also nicht, die Tech-Giganten aus dem Valley karikaturistisch zu Umfallern zu erklären. Eines seiner Charts zeigt die Köpfe von Sundar Pichai (Google), Mark Zuckerberg (Meta), Satya Nadella (Microsoft), Jeff Bezos (Amazon) et al., die Dominosteine zieren und nennt dieses Spiel: Domino der Feigheit. Niemand wehre sich aktuell gegen den Kurs der Trump-Regierung, im Gegenteil, „man küsse Ärsche“. Es ist aus europäischer Sicht interessant, dass Galloway meint, die Medien-Politik der USA stünde den Interessen dieser Mega-Player entgegen und sie seinen nur zu feige, das zuzugeben. Aus der Perspektive der alten Welt stellt es sich vielmehr so dar, als seien die Begehrlichkeiten, der Fall aller Restriktionen, von den Valley-Unternehmern immer schon gewollt aber nie öffentlich laut gefordert worden.

No. 4 Auge vor Ohr

Youtube wird an die Spitze der Streamingdienste schnellen. Warum? Weil der Mensch immer noch lieber zusieht als zuhört. Podcasts wandern immer häufiger auf Youtube, die Leute wollen dabei zuschauen, wie andere sich unterhalten – das ist immerhn etwas weniger skurril, als anderen dabei zuzuschauen, wie sie Videogames spielen. Und Mr. Beast mit seinen 393 Mio. Abonnenten habe eine ungleich höhere Reichweite als jede noch so aufwändig produzierte und teuer besetzte Serienfolge bei Netflix. TV falle in dieser Entwicklung völlig zurück. Aber, so warnt Galloway: Wie überall im Netz gäbe es auch hier eine starke Konzentration, die Vielfalt killt. „The winner takes it all“ führt dazu, dass immer weniger Unternehmen und Verlage den Mut haben, neue Inhalte bereitzustellen. Es sei 3,5 Mal wahrscheinlicher, so Galloway, bei den Olympischen Spielen zugelassen zu werden, als einen erfolgreichen Podcast zu starten. Das sagt freilich einer, der selbst einen erfolgreichen Podcast bestreitet (siehe oben).

No. 5 Epidemie der Einsamkeit

In einem Punkt bleibt Galloway stabil. Auch in diesem Jahr beendet er seinen Vortrag mit dem Verweis auf die Zunahme der „Incels“. Die Selbstbezeichnung einer in den USA entstandenen Internet-Subkultur umfasst heterosexueller Männer, die ihrer eigenen Selbsteinschätzung nach unfreiwillig keinen Geschlechtsverkehr und keine romantische Beziehung haben. Bereits im letzten Jahr hat Galloway die Vereinsamung junger Männer in den USA mit Zahlen belegt: Er führte aus, dass einer von sieben Männern in den USA laut Statistik keinen einzigen Freund hätte, und Männern eine viermal so hohe Selbstmordquote wie Frauen attestiert wird. Tech-Firmen reagieren auf die Beziehungsunfähigkeit, in dem sie vor allem Männer davon überzeugen wollen, dass sie mit einem folgsamen Avatar ein glückliches Leben am Bildschirm haben könnten. „Nothing wonderful will ever happen to you on a screen.“, rief Galloway 2024 dem OMR-Publikum zu und schob nach: „Geht öfter aus, trinkt und trefft schlechte Entscheidungen.“ Nur so könne man fürs Leben lernen, sagt Galloway und scheint damit auch 2025 ganz im Einklang mit seiner Zugehörigkeit zur Boomer-Generation zu sein.

Copyrights: Aufmacher von Gilberto Tadday / TED und Portrait von Jason Redmond / TED