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Nur dreckiger Content ist guter Content

Eine gute Story rockt, ist dreckig und klebt – nur dann beibt sie auch. Du glaubst das nicht? Dann geh hin und lerne von Eddie Vedder. Am besten, wenn er in Mailand gerade 40.000 Leute zum Schreien bringt.

Der Inhalt hat schon ein paar Jahre auf dem Buckel, ein Vierteljahrhundert teilweise, aber den Usern ist es ganz egal. Die Marke ist etabliert, ein mittelständisches Unternehmen. Fünf Teilhaber und ein paar Dutzend Mitarbeiter bieten ein starkes Produkt an, und der Brand Content Manager weiß genau, was der Peer Group gefällt.

Eddie Vedder holt eine Frau auf die Bühne, es ist sozusagen seine Keynote-Präsentation, es ist seine Frau, und sie dreht sich um und auf ihrem olivgrünen Parka steht in kaum versteckter Anspielung auf Melania Trump: „We do really care, do we?“ Employer Branding irgendwie, aber keinen stört es. Im Gegenteil. Und dann singen 40.000 Leute sehr laut:

Und man kann gar nichts anders als Gänsehaut bekommen, denn genau darum geht’s: Am Leben sein. Pearl Jam ist eine grandiose Band und sie ist aber sowas von am Leben, obwohl die Mitglieder mittlerweile auch schon Mitte 50 sind. Wenn man so will und so will ich gerade: Die Corporate Identity ist so verdammt stark, dass man es auch immer noch großartig findet, wenn Eddie Vedder im Holzfällerhemd über die Bühne springt, obwohl er knapp zwanzig Jahre zu spät kommt. Warum ist das so?

 

Ist einfach beantwortet: Mancher Content nutzt sich nicht ab. Es sind geile Songs. Unterschiede in der Wahrnehmung gibt es natürlich. Spielen Pearl Jam in Hamburg kommen 6.000 Leute in die Sporthalle und wippen lässig im Takt. Spielt die Band in Mailand kommen 40.000 Leute auf ein Riesengelände vor der Stadt und singen zwei Stunden lang laut jede Zeile mit. Ist ja auch kein Geheimnis: Content funktioniert in jedem Land anders. Witze, die in Deutschland funktionieren, klappen (zum Glück für die anderen) in allen anderen Ländern nicht. Und Pearl Jam ist eben in Italien größer.

Am Leben sein. Nicht im Büro sitzen. Guter Content findet sich überall, aber die Wahrscheinlichkeit, dass er sich unter dem Schreibtisch versteckt ist doch sehr gering. Und dann covern Pearl Jam „The Wall“ von Pink Floyd und Eddie Vedder singt:

Und natürlich meint er das zum Glück völlig ernst. Bestes affilitate marketing ist es aber auch – weil die User eine Meinung habe und die Company ebenfalls und vermutlich ist es dieselbe. Man kennt sich ja schon seit 25 Jahren. Und klar zahlt das auf die Marke, bedient ja ein bekanntes Referenzfeld. Abgesehen davon: Natürlich muss Content Marketing eine Meinung haben, ist ja auch nix Neues. Wenn es wie für nichts steht, ist es irrelevant und schmeckt wie das Bier, dass man am Rand des Festivalgeländes kauft. Bis man wieder in der Mitte ist, um es zu trinken, ist es schon ganz warm. Abgestandenen Content braucht kein Mensch.

Marketingexperte kurz vor dem Strategiemeeting mit Dr. Vedder
Marketingexperte kurz vor dem Strategiemeeting mit Dr. Vedder

Im Gegenteil: Er muss auf seine Art dreckig sein und vielleicht stinkt er, er ist unbequem, aber spannend, er ist besoffen von sich selber und vom Alkohol manchmal auch, aber er rockt (was nur ein anderes Wort ist für: „Emotion“, aber das sagen ja alle).

Was auch alle sagen: Content muss ein natürlich eine gute Geschichte erzählen. Das sagt sich leicht, deswegen wird es tausendmal wiederholt, aber es ist doch verdammt schwer, weil die Geschichte eben originell sein muss – die xte Geschichte über Tunfischfang im Mittelmeer mag gut erzählt sein, guter Content ist sie nicht. Weswegen auch die Sterophonics Mist sind, die Vorband, weil sie klingen wie eine Mischung aus Stone Temple Pilots und Placebo. Und deswegen mal gar nichts Authentisches haben. Authentisch, noch so ein fieses Wort, dass alle ständig beschwören. Aber die Wahrheit ist eben auch: Alive ist 25 Jahre alt und nur so gut gealtert, weil es authentisch ist.

Die analoge Suchmaschinenoptimierung der 1990er war sozusagen: Lebensgefühl ansprechen. Übersetzt ins Jetzt: Markenwelt erkennen. Im Idealfall haben sich dann Zwei gefunden: der Inhalt und derjenige, der den Inhalt ausspielt. Sie prägen sich Gegenseitig und machen sich stärker. Even Flow. Hat früher auch ohne SEO geklappt. Vielleicht weil sich jeder selber mehr vertraut hat. Und Zack, schon ist es authentisch.

Am Ende sollten wir nur Vermeiden wie die Stereophonics zu klingen. Das ist schon mal die halbe Miete. Man muss einfach mehr rocken. Und dabei locker bleiben.

Ziemlich old school.

Ein bisschen wie ein Prospekt.

Oder wie Eddie Vedder sagt: „Just Breath“ (Backspacer, 2009).

Eddie Vedder
Global Chief Officer of Grunge
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Wer Eddie Vedder nicht kennt, soll ihn halt googlen.